Was ist ein Digitaler Zwilling?
Möchten Sie wissen welche Auswirkungen die Sperrung einer Straße auf den Verkehr haben könnte oder wie ein geplanter Ortspark die Luftqualität ...
Digitale Zwillinge sind in der deutschen Kommunalverwaltung auf dem Vormarsch und verändern zunehmend die Arbeitsprozesse in den Verwaltungen. In unserem heutigen Blogbeitrag sprechen wir mit Gudrun Aschenbrenner, Vorstandsmitglied der AKDB, und Reinhard Kofler, Prokurist der RIWA GmbH, über die Chancen und Herausforderungen von digitalen Zwillingen in der Kommunalverwaltung. Wir haben die Möglichkeit, Einblicke in den praktischen Einsatz von digitalen Zwillingen zu erhalten und zu diskutieren, welche Vorteile und Herausforderungen damit verbunden sind.
Da die Thematik sowohl von hoher Praxisrelevanz getrieben ist als auch im besonderen Forschungsinteresse zur Zukunftsfähigkeit von Kommunen steht, untersucht Sophia Weß von der Zeppelin Universität Friedrichshafen das Innovationsthema gemeinsam mit Betreuer Jörn von Lucke, Lehrstuhlinhaber vom „The Open Government Institute | TOGI “. Wir haben die Möglichkeit, erste Einblicke in die wissenschaftliche Arbeit zum praktischen Einsatz von digitalen Zwillingen zu erhalten und zu diskutieren, welche Vorteile und Herausforderungen damit verbunden sind.
Das Interview führte Sophia Weß (MA Public Management & Digitalisierung) an der Zeppelin Universität Friedrichshafen.
Ein digitaler Zwilling ist ein virtuelles Abbild von Objekten, Prozessen oder Systemen der realen Welt. Dabei wird die Realität mit Hilfe von Daten und Algorithmen digital abgebildet und simuliert. Digitale Zwillinge können auch ohne reales Gegenstück existieren und bieten so neue Analyse- und Optimierungsmöglichkeiten. Sie können über Sensoren mit der realen Welt verbunden werden und ermöglichen so eine permanente Überwachung und Steuerung. Der digitale Zwilling wurde ursprünglich als Steuerungsinstrument in der Industrie entwickelt, findet aber zunehmend auch in anderen Bereichen wie Medizin, Architektur oder Landwirtschaft Anwendung. Insbesondere im kommunalen Bereich wird er in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, um beispielsweise die Stadtplanung zu optimieren oder das Verkehrsmanagement zu verbessern.
Ein digitaler Zwilling für die öffentliche Verwaltung ist in erster Linie ein anschauliches, idealerweise dreidimensionales Abbild der jeweiligen Gemeinde oder Stadt. Dieser Zwilling wird durch die Kombination von GIS, 3D-Technologie, Sensorik und Datenanalyse in einem Simulationssystem generiert und liefert individuelle Antworten auf Fragen unterschiedlicher Interessengruppen wie Verwaltung, Stadt- und Gemeinderat sowie Bürgerinnen und Bürger. Aus Sicht der Verwaltung unterstützt der Digitale Zwilling aktiv Entscheidungsprozesse. Für eine Kommune werden viele verschiedene Digitale Zwillinge erstellt, z.B. für Mobilität, Umwelt, Tourismus und Energie. Aus Sicht der Bürger soll der Digitale Zwilling als zentrale Informationsquelle und partizipatives Beteiligungsinstrument dienen. Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte können den Digitalen Zwilling vor allem in Planungsprozessen und in Verbindung mit Ratsinformationssystemen nutzen. Da fast alle Daten einen Raumbezug haben, können visuelle Darstellungen helfen, planerische Entscheidungsprozesse zu beschleunigen.
Digitale Zwillinge können im Kontext der öffentlichen Verwaltung in allen vier Innovationsdimensionen eine Rolle spielen:
Digitale Zwillinge haben viele Anwendungsbereiche im öffentlichen Sektor. Dazu zählen unter anderem der Winter- und Sommerdienst, wo digitale Zwillinge zur Planung und Überwachung von Streu- oder Bewässerungsmaßnahmen eingesetzt werden können. Auch im Bereich Smart Water können digitale Zwillinge zur Überwachung von Wassernetzen eingesetzt werden. Im Bereich Smart Building können sie zur Überwachung des Raumklimas und der Luftqualität in öffentlichen Gebäuden eingesetzt werden. Im Bereich Traffic & Parking können digitale Zwillinge helfen, Verkehrsflüsse zu optimieren und das Parkraummanagement zu verbessern. Auch im Bereich Smart Waste können digitale Zwillinge zur Optimierung der Abfallentsorgung eingesetzt werden. Schließlich können digitale Zwillinge auch im Bereich der Stadtentwicklung eingesetzt werden, um die Stadtplanung zu verbessern und den öffentlichen Raum optimal zu nutzen.
Im öffentlichen Sektor gibt es zahlreiche Bereiche, in denen digitale Zwillinge noch weiteres oder großes Einsatzpotenzial haben. Besonders vielversprechend sind Anwendungsfälle, die die Bürgerbeteiligung und die Vernetzung von Informationen betreffen. Hier könnten digitale Zwillinge beispielsweise als Teil eines "Systems of Systems" eingesetzt werden, um verschiedene Systeme und Datenquellen miteinander zu verknüpfen und so eine ganzheitliche Sicht auf komplexe Problemstellungen zu ermöglichen. Auch im Bereich der Baugenehmigung kann der Einsatz von Building Information Modeling (BIM) als digitaler Zwilling von Bauwerken dazu beitragen, Genehmigungsprozesse zu beschleunigen und die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten zu verbessern.
Meiner Meinung nach sind digitale Zwillinge vor allem in den Bereichen intelligenter Bauhof inklusive Winterdienst, Verkehrsplanung, Erstellung von Parkraumkonzepten und kommunaler Wärmeplanung von großer Relevanz für die Unterstützung der öffentlichen Aufgabenerledigung. Durch den Einsatz von digitalen Zwillingen können diese Bereiche effektiver und effizienter gestaltet werden, was letztlich zu einem besseren Service für die Bürgerinnen und Bürger führt.
Aktuell gibt es in Bayern erste Schritte in Richtung 3D-Modelle, aber insgesamt sind die öffentlichen Verwaltungen bereits gut aufgestellt und verfügen über umfangreiche Fachinformationen. Mit der fortschreitenden Digitalisierung und der Diskussion um digitale Zwillinge wird die Verknüpfung von GIS, IoT und anderen Verwaltungssystemen immer wichtiger. Es gibt ein wachsendes Bewusstsein für diese Technologie. Es bleibt jedoch noch viel zu tun, um eine effektive Implementierungsstrategie zu entwickeln und einen nachhaltigen Nutzen zu erzielen. Hier muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden.
Im Jahr 2033 werden Kommunen durch den Einsatz von digitalen Zwillingen viele Potenziale heben können. Die Verwaltung wird weitestgehend digitalisiert sein, so dass der physische Gang ins Rathaus nicht mehr notwendig ist. Arbeitsprozesse werden durch den Einsatz von Sensortechnik optimiert und die Routenplanung wird durch Echtzeitinformationen verbessert. Digitale Zwillinge werden in zehn Jahren in allen modernen Verwaltungen gang und gäbe sein und zu 100 Prozent zur Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung beitragen. Eine Smart Community wird dadurch ökologische, ökonomische und soziale Verbesserungen erzielen.
Unvoreingenommen und spontan betrachtet zielt der Einsatz digitaler Zwillinge für die Kommunalverwaltung darauf ab, die Realität in der virtuellen Welt abzubilden und alle Informationen gebündelt in einem digitalen Zwilling zur Verfügung zu stellen. Dadurch kann die Arbeit der kommunalen Mitarbeiter effizienter gestaltet werden, ohne dass sie ihr Büro verlassen müssen. Der Einsatz von Simulation und Analyse ist ein wichtiger Bestandteil dieser Strategie. Die übergeordnete Vision lautet: "Mehr wissen - besser entscheiden". Ein weiterer Fokus liegt auf der Erforschung von Ursache und Wirkung, um herauszufinden, was in Zukunft passieren wird (Predictive Analytics) und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen (Prescriptive Analytics) - das ist die Königsdisziplin.
Aktuell sehen wir zwei Hürden für die Etablierung digitaler Zwillinge in der Kommunalverwaltung: Zum einen gibt es einen Mangel an Kompetenzen und zum anderen fehlt es häufig an Innovationsbereitschaft. Viele Entscheidungsträger wollen Digitale Zwillinge einführen, können dies aber aus zeitlichen oder finanziellen Gründen nicht umsetzen. Andere verfügen über die Fähigkeiten und Ressourcen, sind aber nicht motiviert oder fühlen sich nicht zuständig. Um diese Hürden zu überwinden, müssen die Entscheidungsträger die digitale Strategie der Kommunen aktiv vorantreiben und zur Chefsache machen.
Der Einsatz von digitalen Zwillingen könnte durch Innovationsfreude und das Verständnis, dass dadurch (eigene) Arbeitszeit eingespart werden kann, positiv beeinflusst werden. Darüber hinaus könnten die Vorteile eines Bürger-DZ erkannt werden, der für verschiedene marketingrelevante Zwecke genutzt werden kann. So könnten komplexe Themen auf einfache Weise an die Bürger kommuniziert und eine positive Wahrnehmung in der Öffentlichkeit erreicht werden.
Um die Technologie der Digitalen Zwillinge in der kommunalen Breite zu etablieren, müssen Strukturen geschaffen werden, die Verantwortlichkeiten klären. Häufig wird das Thema GIS von jemandem "nebenbei" betrieben. Mit dem Thema Digitaler Zwilling wird ein ähnlicher Sport betrieben, der den Personenkreis, der sich bisher mit GIS beschäftigt hat, weiter fordern wird. Es wäre daher wünschenswert, dass die Kommunen spezielle Verantwortliche für Digitalisierung und Digitale Zwillinge etablieren und diese Themen stärker in den Fokus rücken.
Hinsichtlich der Nutzung und Verbreitung von digitalen Zwillingen in urbanen Ballungsräumen im Vergleich zu ländlicheren Regionen sind einige Unterschiede zu erwarten. Die Herausforderungen, mit denen Städte und ländliche Regionen konfrontiert sind, unterscheiden sich naturgemäß, und dies wirkt sich auch auf die Nutzung digitaler Zwillinge aus. Was in der Stadt unbedingt erforderlich ist, kann in ländlichen Gebieten überflüssig sein. Daher muss ein digitaler Zwilling flexibel skalierbar und in der Lage sein, mit anderen digitalen Zwillingen zu kommunizieren, um den unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnissen gerecht zu werden.
In der Tat werden auch ländliche Gebiete bei der Entwicklung digitaler Zwillinge berücksichtigt. Da die Herausforderungen und Bedürfnisse in kleineren Gebieten jedoch oft anders sind, müssen die digitalen Zwillinge individuell angepasst werden. Es gibt keine Universallösung, die für alle funktioniert. Was für den einen Bereich geeignet ist, muss nicht für den anderen gelten. Dennoch ist es wichtig, dass die Beteiligten miteinander kommunizieren und ihre digitalen Zwillinge aufeinander abstimmen. Dies gilt sowohl für städtische als auch für ländliche Gebiete.
Von Kooperationen zwischen Städten und der lokalen Stadtwirtschaft im Bereich digitaler Zwillinge erwarte ich mir langfristig die Schaffung eines Systems, das es ermöglicht, einzelne digitale Zwillinge zu größeren Lösungen zu verknüpfen. Dabei ist es wichtig, dass Insellösungen zu einem interkommunalen digitalen Zwilling verbunden werden können. Darüber hinaus sollte auch der Austausch von digitalen Zwillingen zwischen verschiedenen Gebietskörperschaften ermöglicht werden, um eine umfassende digitale Vernetzung zu erreichen. Diese Zusammenarbeit zwischen Städten und der lokalen Wirtschaft kann dazu beitragen, eine effiziente und nachhaltige Stadtentwicklung zu fördern und die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern.
Um die digitalen Zwillinge datenschutzkonform, performant und zukunftssicher betreiben zu können, baut die AKDB-Gruppe die AKDB-Cloud als hybride Multi-Cloud-Infrastruktur auf. Die AKDB-Cloud basiert auf eigenen ISO-zertifizierten Rechenzentren, da es sich bei den Daten um sensible und schutzbedürftige kommunale Daten handelt. Ergänzt werden die Rechenzentren der AKDB durch Rechenzentren unserer Partner, wie z.B. Microsoft. Diese Rechenzentren befinden sich ebenfalls in Deutschland. Gerade für kleinere und mittlere Kommunen, die durch zusätzliche Infrastrukturkosten oder ein begrenztes Angebot an Rechenzentren finanziell belastet wären, stellen wir sicher, dass unsere Lösungen bezahlbar und skalierbar sind. Um ein hohes Maß an Flexibilität und Sicherheit zu gewährleisten, verfügen wir als AKDB-Gruppe über eine Vielzahl von Standorten und Speicherkapazitäten.
Es wäre nicht sinnvoll, die beiden Ziele voneinander zu trennen. Der kombinierte Einsatz von digitalen Zwillingen zur Leistungssteigerung und zur Förderung der Partizipation ist notwendig, um die Akzeptanz und den Erfolg der Technologie sicherzustellen. Indem wir beide Ziele gleichzeitig verfolgen, können wir sicherstellen, dass wir die begrenzten Ressourcen unserer Gemeinschaft optimal nutzen und die Vorteile der digitalen Zwillinge voll ausschöpfen.
Neben den üblichen Faktoren wie Wirtschaftlichkeits- und Risikoanalyse sind für mich bei einer Investitionsentscheidung auch andere Faktoren relevant. Eine Frage, die ich mir stelle, ist zum Beispiel, wie hoch der Personalaufwand für das jeweilige System ist. Muss ich mich selbst darum kümmern oder wird das System gemanagt? Außerdem achte ich darauf, wie ausbaufähig das System ist und ob ich es auch in 10 Jahren noch nutzen kann.
Ob ich jeder Kommune raten würde, in digitale Zwillinge zu investieren, wenn sie "out of the box" einsetzbar wären, hängt davon ab, was alles in der Box enthalten ist. Wenn die Box an meine Bedürfnisse angepasst werden kann und ich die Möglichkeit habe, nur die Elemente auszuwählen, die ich benötige, dann würde ich uneingeschränkt ja sagen. Wenn ich jedoch gezwungen wäre, auch die nicht gewünschten Elemente der Box zu erhalten und dafür zu bezahlen, würde ich diese Investition nicht empfehlen.
Als Unterstützung von Bund/Ländern und anderen Akteuren wünsche ich mir weniger unrealistische Vorgaben und Restriktionen, insbesondere beim Thema "Open Source". Die Verwaltungen haben in der Regel ein gutes Verständnis dafür, was sie brauchen. Aktuelle Ausschreibungen sollten besser auf die Bedürfnisse der Verwaltungen zugeschnitten sein, um wirklich effektiv zu sein. Darüber hinaus sollten auch kleinere Kommunen im ländlichen Raum unterstützt werden. Gezielte Förderprogramme können hier einen aktiven Beitrag leisten und sicherstellen, dass niemand zurückgelassen wird.
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